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“Adiós Deutschland!” Jetzt wird alles besser, oder?

Da stehst du also, den Koffer in der einen Hand, den Kopf voller Träume und mit einem Grinsen, das selbst die Mona Lisa vor Neid erblassen lassen würde. Adiós, tristes Deutschland! Hallo, Costa Blanca! Ab jetzt wird alles besser: Endlich Sonne, Strand und das Leben, von dem du immer geträumt hast. Kein Sommer voller Nieselregen mehr, keine endlosen Staus auf dem Weg zur Arbeit, keine murrenden Kollegen – stattdessen Sonne, Siesta und das perfekte Leben unter Palmen. Was kann da schon schiefgehen? Oder?
Kaum hast du dich in deiner neuen spanischen Idylle eingerichtet, lernst du die erste unangenehme Wahrheit kennen: Bürokratie gibt es auch im Paradies, und die spanische ist eine wahre Königsdisziplin. Dein erster Gegner auf diesem Weg: die NIE-Nummer. Wer von euch erinnert sich noch daran? Diese kleine Nummer ist der Schlüssel zu allem, was in Spanien wichtig ist – und sie zu bekommen, scheint eine Herausforderung der besonderen Art zu sein. Du bist nun Teil eines epischen Abenteuers, das dich durch endlose Online-Formulare, kryptische Webseiten und ein Terminvergabesystem schickt, in dem es scheinbar keine freien Termine gibt und das es sich wohl zur Aufgabe gemacht hat, deine Geduld auf ein bisher unbekanntes Level zu testen.
Und gerade als du denkst, du hättest das Schlimmste überstanden, kommt der zweite Realitätscheck. Dein Schulspanisch und Duolingo reichen gerade so, um im Restaurant eine Paella zu bestellen, aber bei Behördengängen oder im Gespräch mit den neuen Nachbarn wird schnell klar: Es gibt noch Verbesserungspotenzial! Nicht selten wird man hier zur lebenden Reinkarnation von Charlie Chaplin in einem seiner Stummfilme und ist manchmal durchaus frustriert, dass einfache Unterhaltungen scheinbar mentale Höchstleistungen erfordern.
Wenn du dann auch für diese Schwierigkeit langsam Lösungen findest, beginnt das Abenteuer erst richtig. Denn nur weil man sich mit Spaniern unterhalten kann, heißt das noch lange nicht, dass man auch Freunde findet. Du hast mutig dein altes Leben und dein vertrautes Netzwerk zurückgelassen, um hier neue Menschen kennenzulernen. Einfach, oder? Schließlich sind die Spanier für ihre Herzlichkeit bekannt! Doch plötzlich merkst du, dass du hier nicht im „Urlaub unter Freunden“ bist, sondern im realen Leben. Die Einheimischen haben ihre eigenen Kreise, ihre eigenen Routinen, und da hineinzukommen, ist manchmal ähnlich schwierig wie die NIE-Nummer zu ergattern.
Du findest dich plötzlich in einer Situation wieder, die dir so gar nicht nach mediterraner Leichtigkeit schmeckt: Ein bisschen zu viel Zeit allein, ein bisschen zu wenig soziale Interaktion, und schon können sich negative Gedankenkreise und unangenehme Gefühle ihren Weg bahnen. Auch im Paradies kann man sich einsam oder verloren fühlen.
Doch keine Panik! Es gibt Wege, aus dieser Falle zu entkommen – und damit meine ich nicht, sofort den nächsten Flieger zurück in die Heimat zu buchen. Hier ein paar Tipps:
1. Nimm den Druck raus! Niemand erwartet, dass du sofort perfekt integriert bist. Wie bei allem, wenn man neu beginnt, sind Fehler natürlich und Teil des Lernprozesses. Versuch es als eine Chance zu sehen, eine neue Seite von dir zu entdecken, mehr Toleranz aufzubauen und dich auch bei Fehlschlägen so anzunehmen, wie du bist.
2. Lobe dich für kleine Erfolgserlebnisse: Sei es, dass du endlich deine NIE-Nummer hast (nach gefühlten sechs Monaten), oder dass du es geschafft hast, eine kleine Unterhaltung auf Spanisch zu führen. Es sind die kleinen Schritte, die uns immer weiter an unser Ziel bringen.
3. Wenn du merkst, dass die Einsamkeit an dir nagt, zögere nicht, dir Hilfe zu suchen. Es gibt genug Expat-Gruppen und Vereine, die dir das Gefühl geben, dass du nicht allein bist. Und ja, auch ein Psychologe ist kein Zeichen von Schwäche, sondern eher so etwas wie ein Rettungsring im Meer der Herausforderungen.
Am Ende des Tages ist das Auswandern nach Spanien eine große, bunte Mischung aus Abenteuern, Herausforderungen und ganz viel Sonne. Es wird nicht alles besser, aber anders. Und wir haben den Mut aufgebracht, aus der Komfortzone in ein neues Leben einzutauchen, uns neuen Situationen und Begebenheiten anzupassen und dadurch eine wunderbare Bereicherung zu erleben.
Langfristige Zufriedenheit ist jedoch vielmehr abhängig von unseren eigenen Gedanken und Bewertungen als von äußeren Umständen. Wir neigen oft dazu, das Außen zu verändern und dann zu erwarten, dass sich unser inneres Gleichgewicht automatisch einstellt. Das kann ein Trugschluss sein.
Ich bedanke mich für euer Feedback und die bereits eingegangenen positiven Rückmeldungen. Bei Fragen, Anregungen oder dem Wunsch nach einer Zusammenarbeit könnt ihr euch gerne mit mir in Verbindung setzen.
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Über Melanie:
In dieser Kolumne beleuchtet Melanie jeden Freitag auf humorvolle
und zugleich tiefgründige Weise verschiedene Lebensherausforderungen.
Sie können Melanie´s Artikel hier direkt kommentieren oder auch ihre
persönliche Hilfe in Anspruch nehmen:
Melanie Gramer (Psychologin B.Sc., MA)
Termine und Fragen: +34 663944335
Email: info@melaniegramer.com
Web: www.melaniegramer.com
Instagram: @MelanieGramer
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